Viel wurde in den letzten Jahren darüber berichtet, wie die Blockchain-Technologie Banken und Anwälte zukünftig in Bedrängnis bringt. Von intelligente Verträge war die Rede, welche Transaktionen nicht nur transparenter und vertrauenswürdiger machen würden, sondern auch massiv günstiger. Doch mit dem steilen Aufstieg des Bitcoin und dessen ebenso steilen Fall, ist auch das breite Interesse an Blockchains und sogenannten Smart Contracts verblasst wie es scheint. Und die Banken und Anwälte? Sie sind immer noch da.
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Smart Contracts was?
Falls Sie während des Bitcoin-Hypes mit dem Kauf und (hoffentlich rechtzeitigen) Verkauf von Kryptowährungen beschäftigt waren und die Diskussion rund um Smart Contracts verpasst haben, hier das Wichtigste in aller Kürze: Bei Smart Contracts handelt es sich, wie der Name schon sagt, um intelligente Verträge. Die „Intelligenz“ stützt sich auf den Umstand, dass es sich faktisch um automatisch ablaufende Programme handelt. Als technische Grundlage dienen Algorithmen, die eine Abwicklung der vertraglichen Leistungen praktisch in Echtzeit sowohl überwachen als auch durchführen können. Das Konzept und damit auch der Begriff „Smart Contract“ wurde bereits 1994 von Nick Szabo entwickelt und vorgestellt. Mangels einer technologischen Plattform, die zur Umsetzung hätte genutzt werden können, hielt sich das Interesse an Smart Contracts jedoch in bescheidenen Grenzen. Erst die Erfindung der Blockchain-Technologie im Jahre 2009 und schliesslich die Inbetriebnahme von Ethereum, einer öffentlichen Blockchain, welche die Ausführung von Smart Contracts ermöglicht, hat zu einer Revitalisierung des Konzepts geführt.
Blockchain hier, Blockchain da.
Dann kam der Bitcoin-Hype und mit ihm auch das breite Interesse an der Blockchain-Technologie. Sie sollte eine ähnliche Revolution auslösen wie dereinst das Internet. Auch progressive Anwälte nahmen sich dem Thema an und es folgten zahlreiche Tagungen und Artikel. Blockchain und Smart Contract Start-ups schossen wie Pilze aus dem Boden und priesen neue Konzepte und Geschäftsmodelle an. Der Hype war am Ende so gross, dass gar längst totgeglaubte Unternehmen wie Kodak wieder zum Leben erweckt werden sollten; mit eigener Kryptowährung und einer Blockchain zur Verwaltung von Bildrechten. Daraus wurde bekanntlich nichts und überhaupt ist es rund um Blockchain und Smart Contracts eher ruhig geworden. So ruhig, dass man sich fragen muss, ist das Konzept bereits gescheitert, bevor es richtig abheben konnte? Sind Smart Contracts tot?
Moment der Entscheidung
Für den Juristen und Blockchain-Experten Philip Hanke ist der Fall klar. Wir stehen vor einem Moment der Entscheidung. Der Hype ist vorbei und mit ihm auch die Zeit der Powerpoint-Pitchdecks. Ein Unternehmen muss heute mehr vorweisen können als ein gute Idee um Investorengelder zu erhalten oder von potenziellen Kunden ernst genommen zu werden. Viele Start-ups, die es nach dem Hype bis hierhin geschafft haben, sind nun in der harten Realität der IT Projekte angekommen. Eine Realität, die mit zahlreichen Stolpersteinen gepflastert ist.
Alles andere als tot
Wer jedoch genauer hinsieht, erkennt, dass das Thema Smart Contracts alles andere als tot ist. Die Zahl der im Ethereum-Netzwerk erstellten Smart Contracts stieg gemäss Dune Analytics im März 2020 auf beachtliche 1’971’632 Verträge und erreichte damit ein neues Allzeithoch. Gegenüber dem Vormonat ist das ein Anstieg von 75%. Die Entwicklung schreitet also voran.
Raus aus dem Tal der Tränen
Schaut man sich den Legal Tech Hype Cycle 2020 des renommierten Marktforschungsinstituts Gartner an, sieht man, dass sich Smart Contracts immer noch auf dem «Gipfel der überhöhten Erwartungen» befinden, während die Blockchain Technologie bereits ins «Tal der Tränen» gestürzt ist. Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass kein Potenzial vorhanden ist, sondern viel mehr, dass einige Akteure und Investoren, das Zeitfenster falsch eingeschätzt haben. Gemäss Gartner dürften noch 2 bis 5 Jahre ins Land ziehen bis Blockchain und Smart Contracts das Plateau der Produktivität erreichen werden. Entgegen den vollmundigen Versprechen hat die Technologie die Welt der Transaktionen zwar noch nicht revolutioniert, abschreiben sollte man sie deswegen jedoch noch nicht.
